Steile Karriere einer echten Konifere: die Zirbe
Um das Kieferngewächs ranken sich viele Mythen, sodass in den vergangenen Jahren ein bemerkenswerter kommerzieller Hype daraus gewachsen ist.
Zirbe: Die Königin der Alpen
Also: Die Zirbelkiefer (Zirbe, Arve, Arbe oder lateinisch pinus cembra) kommt ursprünglich aus Sibirien und ist heute ein in den Alpen und den Karpaten beheimatetes Kieferngewächs. Durch das extreme Klima in diesen Regionen entwickeln die Bäume teils stark verwachsenes Gehölz, was ihnen zu Lebzeiten mehr Stabilität und posthum eine rustikale, astreiche Maserung verleiht. Die widrigen Bedingungen auf kleinem geografischem Raum sorgen grundsätzlich für langsames Wachstum, kleine Bestände und somit begrenzte Verfügbarkeit von Zirbe als Nutzholz.
Eine weitere Besonderheit dieser Baumart ist die hohe Konzentration des ätherischen Öls Pinosylvin in Holz, Nadeln und Zapfen. Pinosylvin ist, wenn auch meist geringer konzentriert, in allen Kiefernarten enthalten. Die Zirbe produziert davon aber besonders viel, um in ihrem Lebensraum einigermaßen klarzukommen, denn es wirkt antibakteriell, fungizid und riecht außerdem voll gut.
All dies führte dazu, dass Zirbenholz natürlich schon lange Zeit, aber eben vorrangig in den Regionen seines Vorkommens, beliebt für hochwertigen Möbelbau, Vertäfelungen usw. war.
Die Studie: Gesünder schlafen im Zirbenholzbett?
Doch dann geschah etwas, womit keiner rechnen konnte: die 90er. Wer sich daran erinnert, der weiß, dass gemütliche Hüttenrustikalität zu dieser Zeit nicht besonders en vogue war (auch wenn es in Retrospektive vielleicht besser gewesen wäre). Harte Zeiten also für den Tiroler Waldbesitzerverband und einen ganzen Haufen weiterer Stakeholder, die der rückläufigen Nachfrage nach Zirbenholz nicht tatenlos zusehen wollten.
So wurde getagt, beraten, kooperiert (diesen Teil kürzen wir ab, damit uns (noch) keiner wegpennt) und schließlich die außeruniversitäre Forschungseinrichtung „Joanneum Research” in Graz mit einer Studie beauftragt, die eine Grundlage für eine Zirbenholz-Marketingkampagne schaffen sollte. Da man um die hohe Pinosylvin-Konzentration wusste, lag es auf der Hand, sich die antibakterielle Wirkung des Holzes vorzuknöpfen. Und die gegen Motten gleich mit. Um dahingehende repräsentative Ergebnisse zu erzielen fehlte aber leider das Geld, weshalb man sich kurzerhand auf leichter messbare Parameter einigte: Herzfrequenz zum Beispiel.
Und jetzt kommt’s: In Zusammenarbeit mit einer Tischlerei wurden Probanden in Betten gesteckt, die entweder aus Zirbenholz gefertigt waren – oder aus mit Holzdekorfolie bezogenen Spanplatten.
Das Ergebnis: Menschen schlafen in wohlduftenden Betten aus hochwertigem Vollholz besser, als in Spanplattenbetten, die wahrscheinlich noch nach Lösungsmitteln riechen. No shit, Sherlock.
„Na geil!“ dachte sich die Zirbenlobby, das nehmen wir. Dass wenig später im gleichen Versuchsdesign die Wirkung von Fichtenholz vergleichbare Ergebnisse erzielte, wurde wohlwollend ignoriert. Und auch eine Versuchswiederholung zur wissenschaftlichen Untermauerung der Studie sparte man sich.
Wunderbaum oder Alles Marketing?
Den ganzen Sarkasmus mal beiseite: All diese Ergebnisse lassen sich in einer 2009 an der Universität Wien veröffentlichten Diplomarbeit sachlich nachlesen, die wir euch hier verlinkt haben. Und auch, wenn wir uns einen Funken Genugtuung nicht verkneifen können: Zirbe ist ohne Frage ein tolles, besonderes Holz und es riecht wirklich sehr gut. Genau so schläft man in einem Schlafzimmer aus Zirbenholz sehr gut, was ohne Frage die Gesundheit positiv beeinflusst.
Aber: Inwieweit die Zirbe wirklich so viel superer ist als anderes Holz, lässt sich aufgrund dieser einen Studie (auf die sich fast ausschließlich gestützt wird), überhaupt nicht sagen. Und ist man sich des bröckeligen Fundaments bewusst, welches dem Hype zugrunde liegt, finden wir es gerechtfertigt, die Frage zu stellen, ob ein so extravagantes Gewächs wie die Zirbe nicht vielleicht in den Bergen besser aufgehoben ist, als ganz weit oben in den Möbelholzcharts.