Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis für Greenwashing geht an ...
Wir waren nominiert. Und unter den Finalisten. Und, um das gleich mal zu spoilern: Wir haben nicht gewonnen. Die ganze Nummer hat für uns einen Plot-Twist genommen, der sich gewaschen hat. Genau gesagt: grün gewaschen.
Nachgelesen: Der DNP und seine Erfinder
Aber fangen wir von vorne an. Der deutsche Nachhaltigkeitspreis wird verliehen von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis und getragen von der Bundesregierung und dem Rat für nachhaltige Entwicklung, der wiederum die Bundesregierung in Angelegenheiten der nachhaltigen Entwicklung berät. Zu den weiteren Trägern gehören nicht weiter spezifizierte Wirtschaftsverbände, zivilgesellschaftliche Organisationen und Forschungseinrichtungen. Laut eigenen Angaben handelt es sich um Europas größte Auszeichnung für ökologisches und soziales Engagement.
Arglos: Unsere Bewerbung beim DNP
“Eine richtig große Nummer also.” dachten wir uns damals also voller Träume, Ambition und Zuversicht, als wir uns, die wir uns ja nun zu sehr relevanten Teilen (allen) über nachhaltiges Wirtschaften definieren, im Frühjahr 2020 auf diese Auszeichnung beworben haben.
Im Wettbewerb für Unternehmen (einer von insgesamt sieben) sind wir in der Kategorie Design im mittleren Segment, also für Unternehmen mit einem Markteintritt von fünf Jahren und weniger, mit ins Rennen gestartet.
Dann, im September die Nachricht: Boom, Alter! Wir sind unter den Finalisten. Und natürlich voll stolz.
Aufwühlend: unsere Nominierung
Den Was haben wir also gemacht? Klar: gegoogelt. Wir wollten wissen, wer noch alles nominiert ist, mit welchen Promis wir bei der Award-Show eventuell ein Insta-Selfie machen können, ob die Getränke gratis sind und was eigentlich genau alles noch so dahinter steckt. Denn Angeben, oder wie man unter Angebern sagt, “Prestige”, ist nunmal bekanntermaßen eine Kernfunktion von Awards.
Und erst dann stießen wir auf etwas, da fiel uns glatt die Matcha-Mate aus der Hand: Die Liste der Partner und Förderer des von der Bundesregierung getragenen deutschen Nachhaltigkeitspreises.
Skandalös: Der DNP und seine Partner
Um unserer Entrüstung und den anfänglich fehlenden Worten angemessen Ausdruck zu verleihen, lassen wir an dieser Stelle kurz ein Best-of an Synonymen für "Ach du scheiße" von openthesaurus.de für uns sprechen:
Ach du dickes Ei! (ugs.)
ach du grüne Neune! (ugs.)
Ach du meine Nase! (ugs., Kindersprache, ostdeutsch)
auch das noch (ugs.)
da legst di nieda! (ugs., bayr.)
Das haut einen glatt vom Stuhl (ugs.)
(ach du) heiliger Bimbam! (ugs.)
(ach du) heiliger Strohsack! (ugs.)
heilig's Blechle! (ugs., schwäbisch)
ich glaub' ich steh im Wald! (ugs.)
ich glaub' mein Schwein pfeift! (ugs.)
Mensch Meier (ugs.)
Oh Gottogott! (ugs.)
Schockschwerenot! (ugs., veraltet)
Schreck lass nach! (ugs.)
(na) sieh mal einer guck! (ugs.)
Teufel auch! (ugs., variabel)
BASF, Coca Cola, Nespresso (Nestlé), Volkswagen, Procter und Gamble stehen ganz oben mit dabei. Ein who-is-who in Sachen Umweltzerstörung, Ressourcenausbeutung und Menschenrechtsverletzungen darf sich also mit einer derart hochkarätigen Institution die dieselgetränkte Einweg-Plastik-Weste versuchen reinzuwaschen?
Fadenscheinig: Das Alibi
Der Verein legitimiert das so: “Die Partner des DNP ermöglichen ein hohes Niveau von Assessment und Juryarbeit sowie eine professionelle Organisation von Kongress und Preisverleihung. Außerdem sorgen sie dafür, dass die Teilnahmegebühren für die Wettbewerbe gering bleiben und der Besuch des Kongresses unter anderem für Vertreter/innen der Zivilgesellschaft und Studierende kostenfrei ist.”
Unser Fazit: DNP? Nein danke.
Na dann is ja alles klar, der Zweck heiligt die Mittel und wo gehobelt wird, da fallen Späne.
Nee, eben nicht.
Wir haben im Team sehr ausgiebig diskutiert: Erstens ob man den o.g. Standpunkt doch irgendwie rechtfertigen kann, zweitens warum das nicht so ist und drittens wie wir damit umgehen wollen. Hier der Ergebnispitch:
1. Nur weil Coca Cola, der größte Plastikmüll Produzent der Welt (s.o.), ganz jovial ein paar Studenten den Eintritt bezahlt, ist der Drops nicht gelutscht. Es macht ihn eher noch saurer. Denn es wird Leute geben, die das sehen und denken: “Oh supi, die sind ja auch voll nachhaltig jetzt, dann kann ich das ja wieder ganz entspannt kaufen.” Das nennt man das Greenwashing. Konsumententäuschung. Ablasshandel.
Und ehrlich gesagt auch einfach respektlos all denen gegenüber, die mehr zur Zukunft unseres Planeten zu sagen haben als:
Aber ganz ehrlich: In der Summe können es pro multinationalem Milliardenkonzern nicht mehr als Peanuts gewesen sein. Eher die Krümel der Krümel davon, die am Ende in der Ecke der Tüte bleiben, die man selbst mit angelutschtem Finger nicht rausbekommt.
Aber klar, die extra dubiosen Skandalnudeln der freien Wirtschaft schreien natürlich als erste “hier” bei so viel Convenience. In Glaubwürdigkeit, vor allem leider auch der Stiftung, ist das trotzdem eine glatte sechs.
Apropos Glaubwürdigkeit. Es gibt Unternehmen, die meinen das mit der Nachhaltigkeit ernst. Große und kleine. Wir zählen uns dazu. Und für die legt ein, in unseren Augen, derart substanzloser Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit, extrem große Steine in den Weg.
Und nein: niemand ist perfekt. Wir auch nicht. Aber ein Partnerprogramm gleich einer A-List an Negativbeispielen für Nachhaltigkeit ist in unserern Augen einfach Etikettenschwindel.
Wer es noch nicht selbst scharfsinnig analysiert hat, hier nun unsere Situation: Wir haben schon ein bisschen verkackt. Wir haben uns nicht richtig informiert, als wir auf den Zug mit aufgesprungen sind. Und jetzt haben wir nicht gewonnen und haten rum. Zugegeben, klingt nach beleidigter Leberwurst aus artgerechter Tierhaltung.
Für diese herausragende Leistung verleihen wir uns deswegen hier feierlich selbst den von uns selbst (aus dem Badezimmer) getragenen “deutschen Nachhaltigkeitsscheiß” in der Kategorie “Vertan, sprach der Hahn, und stieg von der Ente.”.
Wir gratulieren uns selbst zu dieser Erkenntnis und bedanken uns an dieser Stelle ganz herzlich beim Bundespräsidenten, Obi und dem Internet, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre.
Und wir gratulieren (ernsthaft) den vielen nominierten und ausgezeichneten Unternehmen, die größtenteils wirklich gute Ziele verfolgen und umsetzen, aber – und da lassen wir uns gerne auf den Diskurs ein – anscheinend eine andere Meinung zum DNP und seinen Partnern haben.Oder wie wir, nach einer Prise Recherche, doch gerne alles zurücknehmen und das Gegenteil behaupten wollen.